Wolfgang Lamché

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Auf einer weiten Rasenfläche vor blauem Münsterländer Himmel fängt sich mein Blick in schwungvoll gebogenem Metall. Eigentlich nur ein Stück Edelstahl – doch in einer Lichtschwinge von Wolfgang Lamché! Und mit meinem Schritt zur Seite ändert sich etwas … Das Licht reflektiert und bricht sich in einen Wechsel von Umwelt und Objekt. Gleich neben diesem Lichtkunstwerk steht eine Pferdeskulptur auf einem Ibbenbürener Sandstein, in fließender Form und packender Lebensnähe. Wir sind im Zuhause des Münsterländer Künstlers Wolfgang Lamché.

Die Sockel sind neben der Einfahrt platziert, daneben breitet sich die Rasenfläche eines Parks aus, bevölkert von Viechern, mehr oder weniger gegenständlichen und meist lebensgroßen Tierskulpturen aus Bronze: einem Elefanten, Pferden, Entenfamilien, Tauben, Wildvögeln und Vögeln aller Art, Schweinen, Schnecken und Keilern … Außerdem blitzen einige von Lamchés faszinierenden Lichtschwingen, die oft tonnenschwer und bis zu 12 Metern groß sein können. Großartig! Da verwundert nicht, dass in aller Welt die Werke Lamchés ausgestellt werden; oft sind die Orte seiner Skulpturen und Ausstellungen Kult- und Kunstorte, so die Expo 2000, die Olympischen Spielen in Seoul oder das World Design Center in New York. Kunstkenner verbinden seinen Namen mit jenem Henry Moores oder Max Bills. Eine kunsttheoretische Einordnung fällt dennoch schwer, Lamché verfolgt drei künstlerische Bereiche und zudem die Kunst am Bau mit Edelstahlobjekten. Die Viecher sind aus Bronze, abstrakte Plastiken aus polierter Bronze, die Lichtschwingen – von klein bis sehr groß und tonnenschwer – aus Edelstahl, und das Thema: allumfassend. Über die Einfahrt geht es weiter zu einem Gebäude, die Außentreppe hinauf, in eine helle Galerie mit weißgetünchten Wänden und hellholziger Decke. Hier empfängt der Künstler Wolfgang Lamché seine Gäste, und in diesem Atelier verfolgen mich seine Objekte: schwunghafte Formen, lebensechte Tierminiaturen, Figuren ohne Figürlichkeiten, Formen. Mein Blick fällt auf ein aufgeschlagenes Buch des Photokünstlers Helmut Newton, der mit seinen Aktphotos Prätention und Glamour anspielt und in Frage stellt.

Wolfgangs Lamchés Inspiration sind die Natur und eigene Ideen, aber er ist auch interessiert am Schaffen anderer Künstler. Mit vielen Themen beschäftigt er sich, sogar sein Hobby Golf greift er künstlerisch auf, wie auch historische oder literaturgeschichtliche Figuren inspirierten zu ideenreichen Darstellungen. Ich beginne zu grübeln, suche in den Geschichten nach Verbindungen – und er unterbricht mich, wird konkreter, »es ist die Ästhetik der Form, eine Faszination, die den Betrachter begeistert!« Die Faszination der edlen Materialien Bronze, Edelstahl und Titan, der kalkulierte Einsatz von Licht und Reflexion, das Spiel mit Perspektiven, sie sind es, die Lamché immer aufs Neue reizen. In seinem Kopf entstehen seine Kunstwerke. Skizzen benötigt er nur wenige. Die konkrete Umsetzung ist seine Bestimmung. Wolfgang Lamché ist einer der wenigen Künstler, die sowohl gegenständlich als auch abstrakt arbeiten und gerade damit ihr Kunstverständnis überzeugend formulieren. Denn das Abstrakte als Form ist für ihn in den Dingen enthalten und nur freizulegen. »Wer das Naturalistische beherrscht, kann durch Reduzieren auch die Abstraktion ästhetisch vermitteln.« Er weist auf eine dahinfließende Figur, die Reduktion vom Gegenständlichen ist: die Essenz einer Taube. Mehr kann man nicht weglassen ohne zu viel zu lassen. Das klingt verblüffend logisch.

Faszinierend bleiben sie, die Skulpturen Lamchés in ihrer reduzierten wie reichen Dynamik.
Wir gehen hinunter in ein Nebengebäude: In einem unspektakulären und erstaunlich kleinen Atelierraum, der überaus praktisch eingerichtet ist, arbeitet Lamché mit Körpereinsatz und handwerklichem Geschick. Aus Baustahl entsteht ein Skelett, wird mit Pappe und Styropor auf Volumen gebracht, mit Gips eingekleidet und dann modelliert. So entstehen oft lebensgroße Skulpturen, deren Miniaturen und Entwürfe auf den Regalen ausliegen. Er weist auf eine ordentliche Skizze mit Zahlen: »Die Proportionen müssen maßgenau sein, sonst gibt es einen Krüppel.« Und erzählt von einer lebensgroßen Pferdeskulptur, deren Entstehung in Arbeitsetappen die Auftraggeberin und Pferdebesitzerin verfolgt hat; als sie schließlich neben dem fertigen Bronzetier stand, griff sie ihm an die Stirn und spürte den für ihr Pferd charakteristischen kleinen Knubbel zwischen den Ohren: »Das is er!« Das Modell war zum Guss freigegeben … Lamché lacht, die Arbeit macht ihm immer wieder Freude. In diesem Raum wurden gemeinsam mit der langjährigen Mitarbeiterin Bea Wiesner über 190 teils riesige und großartige Tierskulpturen modelliert, die dann zerlegt und in die Gießerei gebracht werden. Sie werden in bewährten Kunstgießereien im Sandguss-, Keramik- oder auch Wachsausschmelzverfahren in Bronze gegossen; mit verschiedenen Bronzegießereien in Deutschland sowie mit der italienischen Arte Bronzo in Villafranca, die auch Ausstellungen plant, wird kooperiert. Die Form hat begrenzte Lebenszeit, geht meist irgendwann zu Bruch. So gibt es ausschließlich Unikate oder Auflagen limitiert auf nur 4 / 8 /12 oder maximal 99 Exemplaren.

Wolfgang Lamché ist auf dem Boden geblieben. Sein biographischer Weg war nie gepflastert und ist den Steinen verpflichtet: Nach dem frühen Tod des Vaters arbeitete er schon während seiner Schulzeit in freier Mitarbeit in einer Werbeagentur, absolvierte 1966 das Abitur und erkannte bald, wie wenig sinnstiftend das begonnene BWL-Studium für ihn war. Ein Kontakt zu einem Steinbildhauer schuf den Lehrling Lamché, der alsbald als Meister den Betrieb seines Lehrmeisters erwarb. In dieser Steinarbeit entdeckte der junge Mann sein künstlerisches Talent, erste Skulpturen aus Naturstein entstanden. Die in seinem Park stehende Heilige Familie zeugt von dieser Zeit, ich finde sie großartig. Kunst und Brotberuf realisierte Lamché in anspruchsvoller Liaison nebeneinander, 1988 konnte er den Schritt in die künstlerische Freiheit unternehmen. Ein wirtschaftliches Wagnis muss Kunst für ihn nicht sein, mit Disziplin und geregelten Arbeitszeiten wie einer betriebswirtschaftlich fundierten Organisation hat der Künstler Erfolg. Die Sicherheit spiegelt sich privat in einer glücklichen Ehe mit einer starken Frau. Und seine offene, unkomplizierte Art im Umgang mit Menschen trägt bei zum Erfolg der Verbreitung von Lamchés Kunst, die letztlich die menschliche Lebenswelt um die ästhetische Dimension bereichert.